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2017-11-09 15:49
EN / BGH hält Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen generell für unwirksam

BGH, Urt. v. 27.9.2017 – XII ZR 114/16

Hintergrund:

Seit Jahren ist es eine der umstrittensten Fragen der Gewerbemiete: Können sog. Schriftformheilungsklauseln wirksam vereinbart werden und steht eine solche Klausel im Falle eines Schriftformverstoßes einer ordentlichen Kündigung entgegen? Mit Urteilen vom 22.1.2014 – XII ZR 68/10 und 30.4.2014 – XII ZR 146/12 hatte der für das Gewerberaummietrecht 12. Senat des Bundesgerichtshofes bereits entschieden, dass solche Schriftformheilungsklauseln jedenfalls den Erwerber nicht binden. Mit Beschluss vom 25.1.2017 – XII ZR 69/16 stellte er zudem klar, dass dies auch dann gilt, wenn die langfristige Vertragsbindung erst unter Beteiligung des Erwerbers zustande gekommen ist.

Ob aber Schriftformheilungsklauseln die ursprünglichen Mietvertragsparteien binden können, blieb bis jetzt offen. Nun ist diese Frage ist nun nach Jahren langen Wartens höchstrichterlich entschieden. Schriftformheilungsklauseln verstoßen gegen die zwingende gesetzliche Vorschrift des § 550 BGB und sind unwirksam.

Weitere Aspekte des Urteils:

Schriftformverstöße:

  • Werden zum Hauptmietvertrag später Nachträge geschlossen, genügt es zur Wahrung der Schriftform, wenn die Nachträge auf den Hauptmietvertrag verweisen. Die Anbringung eines Hinweises auf der Ausgangsurkunde ist nicht erforderlich (Rdn. 18 der Urtbgdg.)
  • Verweist der Mietvertrag in Bezug auf die umgelegten Betriebskosten auf Anlage 3 zur II. Berechnungsverordnung (heute § 2 BetrKV) und enthält er die Formulierung, dass die Umlage nach dem Verhältnis der jeweiligen Mietflächen erfolgt, soweit nicht der Vermieter für einzelne oder alle Betriebskosten einen anderen Umlageschlüssel wählt, wahrt es die Schriftform, wenn der Vermieter angesichts des Umstands, dass keine Müllkosten anfallen, von einer Umlage absieht (Rdn. 19 der Urtbgdg).
  • Mangelnde Vollmacht einer Vertragspartei zum Abschluss des Mietvertrags oder von Nachträgen berührt nicht die Schriftform (Rdn. 10 der Urtbgdg).
  • Abänderungen der Wertsicherungsklausel bedürfen der Schriftform (Rdn. 22).

Treuwidrigkeit:

Eine ordentliche Kündigung eines befristeten Mietvertrags unter Berufung auf die Verletzung des Schriftformgebots (§ 550 BGB) kann treuwidrig sein(§ 242 BGB). Folgende Fälle kommen in Betracht:

  • Vereinbarung in einem Vorvertrag, dass ein längerfristiges Mietverhältnis begründet werden soll (Rdn. 26)
  • Verpflichtung der Vertragsparteien im Hinblick auf konkrete nachträglich zustande gekommene Vereinbarungen, die Schriftform zu wahren um eine langfristige Bindung an den Mietvertrag sicherzustellen (Rdn. 26).
  • Der Vertragspartner hält den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform ab oder hat sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht (Rdn. 24).
  • Bei Formwidrigkeit wäre die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht (Rdn. 24).
  • Eine Partei nimmt eine nachträglich getroffene Abrede, die ihr lediglich vorteilhaft ist aber nicht der Schriftform entspricht, zum Anlass, sich von einem „ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen“ (Rdn. 41).

Auswirkungen auf die Praxis:

Die Auswirkung ist enorm. Bislang entsprach es der ganz herrschenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichte, dass solche Schriftformheilungsklauseln wirksam sind und einer ordentlichen Kündigung des Mietvertrags im Falle eines Schriftformverstoßes wegen Treuwidrigkeit entgegenstehen.(vgl. OLG Naumburg, 26.7.2012 – 9 U 38/12; KG, 13.11.2006 – 8 U 51/06; OLG Düsseldorf, 11.5.2004 – I-24 U 263/03; OLG Köln, 23.9.2005 – 1 U 43/04; OLG Celle, 22.7.2004-13 U 71/04). Nunmehr muss die Einhaltung der Schriftform noch mehr im Fokus der Vertragsabschließenden stehen, weil den Gefahren, die durch eine Verletzung der Schriftform drohen, nicht mehr durch die generelle und zwischenzeitlich standardmäßige Schriftformklausel am Ende des Vertrags und eines jeden Nachtrags begegnet werden können. Gefragt sind fortan konkrete Gestaltungen.



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